Rundreise Ost mit Öger Tours

21. September bis 05. Oktober 2002

Teil 4 - Trabzon -

 

 

 Vierter Tag   (25.09.2002)


Um 7:00 Uhr ging es weiter. An der Schwarzmeerküste entlang nach Trabzon.

Auf der Karte sieht die Strecke gar nicht so weit aus. Allerdings sind fast die ganzen 180 km EINE Baustelle. Man ist dabei die Straße zu verbreitern und wo es geht vierspurig auszubauen. Sie folgt zur Zeit dem tatsächlichen Küstenverlauf. Meist war zwischen dem Meer und den flach abfallenden, bis an´s Wasser reichenden Bergen kaum Platz für die Straße.

Die Landschaft an sich war sehr schön. Man sieht, dass hier sehr viel Niederschlag fällt. Die Vegetation kann als "mitteleuropäisch" bezeichnet werden. Die vorherrschende Farbe ist grün. Was sofort auffällt, sind die Millionen von Haselnussbäumchen. Wo eine freie Stelle zwischen Meer und Bergen zu finden ist, sind Haselnussbäume angepflanzt. Hätte mir gerne einmal eine Tee (Cayi) -Plantage angeschaut. Aber das war nicht geplant.

SELO erzählte uns, dass die Bewohner der Schwarzmeerküste einen ganz besonderen Dialekt sprechen und bezeichnete sie als "Ostfriesen der Türkei". Wir erfuhren vom Hamsi-Fisch, der die Lebensgrundlage der einheimischen Bevölkerung darstellt. Bemerkenswert sei sein eigenartiger  Geschmack. Die Homepage des Türkischen Kulturministeriums verrät, dass es sich beim Hamsi-Fisch um den Anchovis handelt. Also um Sardellen.

 

Mittagessen gab es heute in einen Restaurant in Akcaabat, 16 km vor Trabzon. Nihat Ulsta, Köfte Salonu.

SELO erzählte, hier gebe es die bekanntesten Köfte der Türkei. Das Lokal sei selbst in Istanbul bekannt. Nihat begrüßte uns persönlich und umarmte SELO wie einen Verwandten.

 

Unser nächstes Ziel war die Stadt Trabzon.

Trabzon wurde 756 v. Chr. gegründert und ist damit älter als Rom. Die Stadt war Jahrhunderte lang ein abgelegener, hinterwäldlerischer Ort und nichts deutete darauf hin, dass sie einmal eine große Rolle im Weltgeschehen spielen sollte.

Im Jahr 1204 eroberten und plünderten die Ritter des vierten Kreuzzuges Konstantinopel, die Hauptstadt ihrer christlich-orthodoxen Brüder. Christen gegen Christen!
Alexius Comnenos, der Enkel eines früheren Kaisers, machte sich die allgemeine Verwirrung zu nutze und gründete in Trabezunt, wie die Stadt damals hieß, ein zweites byzantinisches Reich. Der kleine Staat wurde nach seiner Hauptstadt Trabezunt genannt. Die Dynastie der Comnener konnte über 250 Jahre lang das Reich regieren, bis es im Jahre 1461, acht Jahre nach dem Fall Konstantinopels, ebenfalls von den Türken erobert wurde.

Wenn man sich Trabzon von Westen nähert, sieht man auf einer Klippe über der Küstenstraße zuerst den Turm und dann die in den Jahren 1238 - 1263 erbaute Kirche Hagia Sophia. Im Vergleich zur Hagia Sophia in Istanbul ist diese Kirche sehr klein, fasziniert aber durch ihre aus dem 13. Jahrhundert stammenden und in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts restaurierten Wandmalereien.

In Verbindung mit der Geschichte der Hagia Sophia in Istanbul, die etwa 800 Jahre lang die größte Kirche der Welt darstellte und erst durch den Bau der Petersdoms in Rom von diesem Platz verwiesen wurde, war ich auf die Hagia Sophia in Trabzon gestoßen.
Ich hätte damals nicht im Traum daran gedacht, dass ich einmal bis Trabzon kommen würde; und nun stand ich sogar in der Hagia Sophia! Aber dieses Gefühl überwältigte mich auf dieser Reise noch des öfteren.

Was mich immer wieder fasziniert, ist die Toleranz, die die Moslems dem christlichen Glauben gegenüber gezeigt haben. Wie sehr verfälscht der heutige Fundamentalismus das Bild dieser Religion.

 

 

 

Eine weitere Sehenswürdigkeit Trabzons ist das Atatürk-Haus. Hier verfasste Mustafa Kemal am 10. Juni 1937 sein Testament, in dem er alle seine Besitztümer dem türkischen Staat vermachte.

An den Gesichtern der ebenfalls anwesenden türkischen Besucher war zu sehen, wie sehr der großen Staatsgründer noch heute verehrt wird.

 

 

Einer der absoluten Höhepunkte dieser Reise stand uns aber für heute noch bevor.

Fast immer, wenn ich über die türkische Schwarzmeerküste las, war ich auf ein ganz bestimmtes Foto gestoßen. Es zeigte ein in eine Steilwand eingelassenes Gebäude. Das Kloster Sümela.

Mein erster Türkei-Reiseführer von 1990 berichtet, das ein Großteil der Malereien fast ganz mit Graffiti in griechischer und russischer Sprache verunstaltet seien. Im Jahre 1922 sei das Kloster verlassen und kurze Zeit später durch ein Feuer schwer beschädigt worden. Religiöse Fanatiker und moderne Touristen trugen zu weiteren Zerstörung bei.

Ich war gespannt, was uns erwartet.

 

Wir verließen Trabzon in südlicher Richtung. In der ca. 30 km entfernten Ortschaft Macka zeigte uns SELO im vorbeifahren unser nächstes Hotel.
Etwa nach weiteren 12 km durch enge Bergstraßen war in einer Schlucht an einem Restaurant die mit dem Bus befahrbare Straße zu Ende. Hier teilte sich die Gruppe. Diejenigen, die sich gut zu Fuß wähnten, wagten den Aufstieg über steile Treppen und Stege, der andere Teil fuhr mit Jeeps auf einer angeblich bis fast ans Kloster reichenden Straße in die Höhe. Müßig zu sagen, dass ich den Jeep gewählt habe.

Unser Fahrer hielt unterwegs an einer Stelle, an der das Kloster am besten zu sehen ist, zu einer Fotopause an.

Wie ein Adlernest schmiegt sich das Kloster in die Steilwand des Karadag, wie der Berg heißt.

 
 

"Der Jeep fährt bis fast ans Kloster", hatte SELO gesagt.

Ich hatte mir vorgestellt, ich brauche nur noch ein paar Schritte gehen, dann wäre ich dort. Weit gefehlt.
Es sind noch gut 500 m über einen teils recht steilen, unbefestigten Bergpfad.

Aber der anstrengende Weg lohnt sich. Und selbst die älteren Mitglieder unserer Truppe schafften den Aufstieg.

 

Das Kloster wurde im Jahre 386 n. Chr. zur Zeit des byzantinischen Kaisers Thedosius von zwei Mönchen aus Athen als Kirche gegründet. Damit war der Grundstein zum späteren Kloster gelegt.

Wenn mein Reiseführer noch von einem zerstörten Kloster berichtet, konnten wir feststellen, dass in den letzten Jahren viel am Wiederaufbau getan worden ist.

 

Wie man auf dem Foto erkennen kann, liegen in einem Hohlraum hinter dem heute erst von außen renovierten Hauptgebäude noch etliche weite Gebäude. In der Felswand selbst befinden sich noch Höhlen und Grotten, die ausgebaut und mit Fresken bemalt wurden.

Eine ehemalige, nachhaltige Zerstörung der inneren Gebäude ist unübersehbar.

 

SELO erzählte uns, dass die griechisch-orthodoxen Mönche gegen Ende des Unabhängigkeitskrieges im Jahre 1922 bei ihrem zwangsweisen Abzug die Zerstörung der Anlage durch das Zünden von 500 kg Dynamit selbst verursacht hätten. Hauptziel dieser Aktion sei der Tod der gut 500 türkischen Soldaten gewesen, die das Kloster besetzen sollten. Durch einen glücklichen Zufall zündete die Ladung erst nach Abzug der Soldaten. Das man die Zerstörung uralten Kulturgutes in Kauf nahm, zeigt wie groß der Hass aufeinander gewesen sein muss.

Die sakralen Wertgegenstände des Klosters waren rechtzeitig weggeschafft worden, fielen aber den türkischen Truppen trotzdem in die Hände. Sie wurden aber in den vierziger Jahren an Griechenland zurückgegeben.

Das Kloster Sümela ist Anwärter auf die Anerkennung als Weltkulturerbe der Menschheit.

 

Nach dem Abstieg und kurzer Rast im Restaurant am Fuße des Karadag, an dem auch Bahri mit unserem Bus wartete, ging es zurück nach Macka ins Hotel Büyük Sümela, einem tollen Vier-Sterne-Hotel.

 
 

In diesem Hotel wurde für einige von uns die Frage beantwortet: " Woher wissen die Moslems für das Gebet, wo Mekka liegt?

Ein kleiner Aufkleber an unauffälliger Stelle, das ist des Rätsels Lösung. Hier in der Schublade des kleinen Schreibtisches im Hotelzimmer.

Foto: Ellen Seidel

 

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Lektorat: Ellen Seidel

Fotos: Gernot Fricke