Rundreise Ost mit Öger Tours

21. September bis 05. Oktober 2002

Teil 8 - Diyarbakir -

 

 

 Achter Tag   (29.09.2002)


4.00 Uhr Wecken, Abfahrt 5.30 Uhr. Man gewöhnt sich daran.

Für den Bäcker aus Van war es wohl noch zu früh. Zuerst kein Brot zum Frühstück. Kam aber dann doch noch. Fast zu spät.

In der Morgendämmerung fuhren wir, der Küstenstraße folgend, am Van See entlang. Wir bemerkten erst jetzt, wie groß der See wirklich ist.

Die erste größere Stadt auf unserer Strecke war Bitlis. Bitlis ist eine Stadt, die in eine enge Schlucht gebaut wurde und von einer Zitadelle in verschiedenen Baustilen gekrönt ist. Mein erster Eindruck war: Grau in grau. Unfreundlich, wenig Farbe.
SELO ließ Bahri halten und gab uns eine dreiviertel Stunde Zeit, die Stadt anzusehen.

Wir schwärmten recht unvorbereitet aus. Das Erste was mir, anfangs noch unbewusst, auffiel war: Es waren nur Männer zu sehen. Grau gekleidete Männer, wenn ich es recht bedenke. Oder trügt da die Erinnerung? Was mir noch auffiel war, dass die Männer allesamt in ihrer Arbeit innehielten und wie gebannt zu uns starrten. Bis mir klar wurde, warum.

Ellen !
Ellen, attraktive Frau, 30 Jahre, leicht, aber züchtig gekleidet.
Sie war es, die die Aufmerksamkeit jeden Mannes auf sich zog. Der Barbier ließ seinen Kunden im Stuhl sitzen und kam aus seinem Laden. Nach und nach traten immer mehr Männer auf die Straße. Es war belustigend zu beobachten, wie die Herren in ihren Bewegungen inne hielten, wenn wir vorbei kamen.

Ich bin sicher, wir hätten unsere Ellen hier zu einem sehr guten Preis verkaufen können. Sorry Ellen, der Gedanke drängt sich einfach auf.
In Gedanken sah ich mich schon mit einem Bus heiratswilliger Frauen in Bitlis einfahren.......
J

Nachdem wir uns für ein paar Cent frisches Fladenbrot beim Bäcker gekauft hatten, ging die Fahrt weiter. Ich glaube es war niemand so froh wie Ellen, die wie ich meinte, in meinem Schutz bestens aufgehoben war. Ich sollte bald eines Besseren belehrt werden !

 

Unser nächster Halt war in der Nähe von Silvan an der Malabadi Köprüsü, einer seltschukischen Brücke aus dem Jahre 1147.

Bemerkenswert ist der hohe, für Segelschiffe geeignete Spitzbogen. Die Höhe beträgt vom Niveau des Wasserspiegels bis zum Schlußstein 19 m.

Die 7 m breite Brücke führt über das Flüsschen Batman.

Die Malabadi-Brücke bei Silvan

 
 
Kurz vor dem Abzweig zur Malabadi-Brücke hatte ich ein Schild mit einer Kilometerangabe nach Diyarbakir, unserem Tagesziel gelesen. Es war eine relativ kurze Strecke. Kann mich noch daran erinnern, dass ich dachte, was wohl in Diyarbakir los sei, wenn wir so früh am Ziel sind. Wir bogen aber von dieser Straße ab.

Das Mittagessen nahmen wir in einem kleinen Restaurant in Batman ein. Unterwegs hatten wir schon einen PKW-Konvoi einer, wie SELO meinte, radikalen Kurdischen Partei überholt. Es war Wahlkampf in der Türkei. Während des Mittagessens unter freiem Himmel in einem kleinen, hübschen Hof mit Springbrunnen hörten wir draußen auf der Straße die Lautsprecheransagen der langsam vorbeifahrenden Propagandafahrzeuge.

Das Essen war gut. Die Getränke wurden uns von einem Jungen gebracht, dessen sehnlichster Wunsch es war, wieder nach Deutschland zurück zu können. Seine Familie war zurück in ihre Heimat gegangen. Nur war es nicht SEINE Heimat. Es dürfte vielen jungen Türken und Türkinnen so gehen.

 

Nach dem Essen im Sitz zurückgelehnt und ein Nickerchen gemacht.

Irgendwann wachte ich auf und sah rechts neben mir einen kleinen Fluß. Dass es der Tigris ist, registrierte ich überhaupt nicht. Und dann war ich plötzlich hellwach!

Fluss? - Tuffwand? - Treppe in Tuffwand gehauen? - Brückenreste im Fluss? - uraltes Minarett?  =

                                                                               HASANKEYF

Wie schon im Vorwort geschrieben: Ich hatte schon immer davon geträumt, Hasankeyf noch vor der Überflutung durch den Tigris-Stausee zu sehen.

Nun war ich selbst da!

 

Neben der modernen Brücke über den Tigris nach Hasankeyf sind die Reste der antiken Brücke zu sehen. Sie  wurde bereits 638 n. Chr. urkundlich erwähnt.

Über den rechten Pfeiler im Fluss erkennt man die Reste der Zitadelle. Die in den Tuff gehauene Steiltreppe führt vom Flussufer hinauf zur Festung.

 

 
 

Bekanntheit erlangte Hasankeyf durch seine über zweitausendjährige Geschichte und dem Schicksal, das der Stadt durch das türkische Ilisu-Staudammprojekt droht.

Hasankeyf, an der berühmten Seidenstraße gelegen, war Jahrhunderte lang ein  Knotenpunkt in der politischen und ökonomischen Geschichte der Region und sollte als ein Weltkulturerbe angesehen werden.

 

Angesichts des noch nicht ans Tageslicht gebrachten archäologischen Reichtums dieser Stadt, dürfte Hasankeyf unter keinen Umständen in den Fluten eines Stausees verschwinden.

 

 

Um die Bedeutung von Hasankeyf zu verstehen, muss an einen Blick auf die lange und wechselvolle Vergangenheit des Ortes werfen. Die bislang bekannten frühesten Siedlungsspuren sind ca. 10.000 Jahre alt. Von einstiger Größe künden verschiedene archäologische Relikte und Baudenkmäler. Neben der bereits erwähnten antiken Brücke ist das am linken Flussufer gelegene Mausoleum des Zeynel Bey zu nennen. Dem Mausoleum gegenüber erhebt sich, beeindruckend auf dem südlichen Steilufer des Tigris errichtet, der mittelalterliche Burgberg mit Siedlung.

Durch ein schmales Seitental führt ein schmaler Weg durch das so genannte Schlangentor und zwei weitere Toranlagen auf das Plateau des Burgberges und zur dort gelegenen Festung. Entlang dieses Weges sind die Felsen durchlöchert wie ein Schweizer Käse, da die Menschen schon in alter Zeit ihre Behausungen und Ställe in die Felsen schlugen. Aus mittelalterlich-islamischer Zeit stammen ornamental verzierte Moscheen, die christlichen Höhlenkirchen dürften älter sein.

Historiker und Archäologen aus aller Welt, wie auch die Bevölkerung selbst, beklagen den drohenden Untergang der Stadt. Selbst die türkischen Reiseleiter haben sich zu Aktionsgruppen zusammengeschlossen und Unterschriftensammlungen veranstaltet. Von zentralen Stellen, so ist zu hören, sind weder die von Umsiedlung betroffenen Bewohner in die Planungen einbezogen noch sei auf das kulturelle Erbe der Region Rücksicht genommen worden. Dabei wurde die Stadt erst vor wenigen Jahren (1978) als Stätte von historischer Bedeutung unter Schutz gestellt.

Wie man hört, haben sich die ausländischen Investoren aufgrund der internationalen Proteste von dem Projekt zurückgezogen. Ferner wurde im Herbst 2002 bekannt gegeben, dass die Deutsche Bundesregierung einer Vergabe einer Hermes-Bürgschaft in Höhe von 75 Millionen Euro nicht zugestimmt hat. Nachdem sich auch das britische Unterhaus gegen eine Unterstützung des Ilisu-Staudamms ausgesprochen hat, könnte der Wegfall der deutschen Hermesbürgschaft das Staudammprojekt zum Scheitern bringen. Ich befürchte aber, dass diese Hindernisse die Türkische Regierung nicht von ihrem Staudammprojekt abrücken lässt.

 
Wir hatten nur eine einzige Stunde in Hasankeyf. Ich hätte eine Woche bleiben wollen.

 

Die nächste Etappe war das Jakobiter-Kloster Mar Gabriel, 10 km südöstlich der Stadt Mardin, nahe der Syrischen Grenze.
Die Jakobiter, frühe Christen, Nachkommen der Assyrer und Anhänger des syrisch-orthodoxen Ritus, sprechen heute noch eine Mundart, die angeblich die Sprache Jesu Christi war. Die Glaubensgemeinschaft widersetzt sich standhaft dem großen Druck, sich zum Islam und Kurdentum zu bekennen.

Das Kloster wird auch von Moslems besucht. Selbst hohe Regierungsvertreter aus Ankara besuchen die Mönche. Wir wurden von Gabriel empfangen, zu dem SELO "Bruder" sagte.

 

 

Die Gründung geht einheimischer Tradition zufolge auf den heiligen Eugen zurück, dessen Grab im Klostergewölbe verehrt wird. Das Kloster wurde zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert auf den Grundmauern einer römischen Burg und eines griechischen Tempels errichtet.

Bischof Johannes von Mardin ließ es 811 glanzvoll restaurieren. Es entwickelte sich zu einem der bedeutendsten westsyrischen Klöster. Zeitweise lebten hier 80 Mönche; die Klosterbibliothek war bekannt. Kunstvolle Gartenanlagen, von denen heute nur noch kleine Reste geblieben sind, umgaben das Gebäude.

 
Mit der untergehenden Sonne verließen wir Mardin, Richtung Diyarbarkir. Demnach war es auch schon dunkel, als wir in der Stadt ankamen.

SELO wollte uns, bevor wir ins Hotel fuhren, noch innerhalb der bis zu 12 Meter hohen Stadtmauern die alte Karavanserei zeigen, die heute zu einem modernen Hotel umgebaut ist.

Straßenbauarbeiten entlang der Stadtmauern zwangen uns aber, die Altstadt wieder zu verlassen. Für kurze Zeit landeten wir in einer Gegend, in die sich sicher noch kein Touristenbus verirrt hat. Aber das war kein Problem.

 

Foto: Birgit Theiß

Die Nacht verbrachten wir im Hotel Miroglu, einem recht komfortablen Stadthotel in der Nähe der Stadtmauer und dem Zentrum. Gerne hätte ich mir noch etwas von der Stadt angesehen, war aber so müde, dass ich noch vor dem Hotel wieder umgekehrt bin. Die Reise begann mich zu "schlauchen"

 

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Lektorat: Ellen Seidel

Fotos: Gernot Fricke